Wir

Linda Wolfsgruber (2017)

Preisgekrönt 2017: ich #wasimmerdasauchheißenmag

Bilderbuch mit Porträt-Kreidezeichnungen unterschiedlicher Menschen aus verschiedenen Ländern: alt – jung, Mann – Frau. Ihnen wird ein Adjektiv wie verliebt, mutig oder zickig zur Seite gestellt. Passt das zugeordnete Adjektiv zur dargestellten Person? Und was passiert, wenn das Porträt ein anderes Adjektiv erhält? Ein faszinierendes Buch, das über allzu einfache Zuordnungen nachdenken lässt.

Rezension aus dem Jahr 2017

Wir sind da. Und wer sind wieder wir? Grantig oder sanft? Zerstreut oder wild? Verliebt oder wunderlich? In einem kleinen quadratischen Bilderbuch, 17,6 cm x 17,6 cm, 1 cm dick und fünfundvierzig bunten Brustbildern versucht Linda Wolfsgruber diese Frage zu beantworten. Oder gibt sie die Frage an den Betrachter zurück? Denn wer verliebt ist, wirkt oft wunderlich, Sanftmut kann in frustrierten Grant umschlagen und wie wild ist Zerstreutheit! Plakativ oder zufällig wie die saftig gestrichelten farbigen Kreidezeichnungen wirken die charakterisierenden Adjektive, die den Porträts jeweils auf einer weißen Seite zugeordnet sind. Freilich, es genügen bekanntlich Sekundenbruchteile, um sich zu verlieben oder das Gegenüber scheinbar in die richtige Stimmungsschublade zu stecken. Aber hier haben wir einmal richtig Zeit. Stimmt der erste Eindruck? Könnte es nicht auch ganz anders sein? Ist es vornehm, violette Schatten im Gesicht zu haben? Ist Herr Settembrini ein unwiderstehlicher Drehorgelmann? Was sagen Kopfbedeckung oder Haarfarbe über den Charakter? Vorwärts und rückwärts blättert man in dem Bändchen, jede Seite weist einen anderen Farbrahmen auf, jedes Adjektiv zeigt seine Zweideutigkeit auch in zweifacher Typographie: Helvetica, überlappt mit sauberer Handschrift und alles so schön bunt! Augenschmaus und Klangvergnügen zugleich, hier zergehen Vorurteile buchstäblich auf der Zunge. Daran hat die grafische Gestaltung wesentlichen Anteil. Und wie gut, dass Papier und Umschlag dick und strapazierfähig sind. Matt glänzt das Bändchen, die aufgemalte, lindgrüne Banderole gibt uns das Gefühl, ein Geschenk in den Händen zu halten. Und es stimmt. Das mutwillige Kaleidoskop erfrischt den Blick auf das rätselhafte „Wir“, auf uns Mitmenschen. (Ines-Bianca Vogdt)

In: "1001 Buch" | 2017, Heft 3, S. 61

Weiterführende Informationen:

Leseanimationstipps zu diesem Buch, zusammengestellt vom Institut für Jugendliteratur, finden Sie in: „Leserstimmen – der Preis der jungen LeserInnen 2019“, einer Publikation des Büchereiverband Österreichs. Zu bestellen beim >>> Büchereiverband Österreichs