Jasper Fforde: Die letzte Drachentöterin

Bisher war der Kampf gegen schuppige Ungeheuer eher Rittern vorbehalten. Mit „Die letzte Drachentöterin“, dem neuen Roman des britischen Kultautors Jasper Fforde, ist auch diese Bastion exklusiv männlichen Heldentums gefallen.

Aus dem Englischen von Isabel Bogdan
Köln: Bastei Lübbe 2015


Bisher war der Kampf gegen schuppige Ungeheuer eher Rittern vorbehalten. Mit „Die letzte Drachentöterin“, dem neuen Roman des britischen Kultautors Jasper Fforde, ist auch diese Bastion exklusiv männlichen Heldentums gefallen. Die Protagonistin, Jennifer Strange, ist zwar erst sechzehn, aber mutig und einfallsreich wie Bilbo und Siegfried zusammen, dazu unbestechlich, uneigennützig und durchsetzungskräftig. Das muss sie auch sein, denn als Managerin einer Vermittlungsagentur für magische Künstler hat sie einen ziemlich schrägen Haufen zu bändigen: Zauberer, Hexen, Wahrsager, Teppichflieger, einer eigenwilliger als der andere. Dabei gehen die Geschäfte schlecht – es ist eine sterbende Branche. Früher haben die Zauberer Berge versetzt, heute verkabeln sie Häuser neu, reinigen Abflüsse oder verbannen Maulwürfe aus Gärten.
Alles geht seinen chaotischen Gang, bis eine Vorahnung der Präkogniker bekannt wird: Der Drache Maltcassion, der letzte seiner Art, wird durch die Hand eines Drachentöters sterben, nächsten Sonntag um zwölf. Was die Massen in Bewegung bringt. Denn wer nach Maltcassions Tod das Drachenland als erster besetzt, dem gehört es. Und ausgerechnet Jennifer ist dazu bestimmt, als letzte Drachentöterin die alles entscheidende Rolle zu spielen.

Wenn wir das Mädchen in ihrem rostigen VW durch London begleiten, befinden wir uns in einer Welt, die der unseren ziemlich gleicht. Mit einer wesentlichen Ausnahme – Magie ist seit jeher selbstverständlicher Bestandteil des Lebens, eine menschliche Begabung, die der eine mehr für sich nützen kann und der andere weniger. Wodurch die Historie einen anderen Verlauf genommen hat – in diesem Buch herrscht nicht Queen Elizabeth, sondern King Snodd über das „Ununited Kingdom.“ Und, ach ja: Die Haustiere sind auch eher speziell. Jennifer wird auf Schritt und Tritt vom treuen Quarktier begleitet, das im Gegensatz zu seiner Sanftmut aussieht „wie eine offene Messerschublade auf Beinen“.

Jasper Ffjorde würfelt mit großer Lust am Fabulieren alle möglichen Motive durcheinander, es gibt Starbucks und Einstein hat auch gelebt, die Droge dieser Welt ist jedoch nicht etwa sowas wie Crystal Meth, sondern – Marzipan.

Obwohl die einzelnen Bestandteile bekannt sind, wirkt das Ganze doch neu und frisch und vor allem: unwahrscheinlich komisch. Wer skurril-absurden Humor in der Tradition eines Terry Pratchett mag, der wird „Die letzte Drachentöterin“ mit großem Vergnügen lesen.
Oftmals liegt es an den Details. So ist Jennifer, wie viele ihrer Heldenkollegen, eine Waise, ein Findelkind. Doch aufgezogen wird sie nicht von bösen Verwandten, sondern vom Orden unserer lieben Frau des Hummers. So erfindet der Autor, ohne sich in der Thematik zu verlieren, mal so nebenbei eine neue Weltreligion.
Der Roman ist ein Feuerwerk an phantastischen Einfällen und Figuren, sehr dicht erzählt, spannend, immer wieder auch überraschend. Wer hier gut und wer eher mit Vorsicht zu genießen ist – da kann man sich nicht völlig sicher sein. Mit Ausnahme von Jennifer und dem Quarktier natürlich, die sind beide über jeden Zweifel erhaben.

Cover
Inmitten allen Aberwitzes nützt der Autor die phantastische Plattform jedoch auch für eine geschmalzene Kritik an allem, was er für kritisierenswert hält: Die Sensationsgier der Medien, die Skrupellosigkeit der Wirtschaft, die menschliche Arroganz, sich selbst für die Krone der Schöpfung zu halten, die Absurdität der Bürokratie. Die treibt hier wildeste Blüten, nicht einmal der kleinste Zauber darf ohne das Ausfüllen des B1-7g Formulars gesprochen werden.

Es ist eine Genreliteratur, die sich nicht um Genregrenzen schert, der Roman ist auch für Leser und Leserinnen geeignet, die ansonsten einen großen Bogen um Fantasy machen. Und das nicht nur, weil hier ausschließlich mit dem Zeigefinger gezaubert wird, es gibt keine Besen, keine Zauberstäbe, keine spitzen Hüte. Vermutlich auch nicht in den kommenden Bänden, denn „Die letzte Drachentöterin“ bildet den Auftakt einer Trilogie. Man darf gespannt sein, wie es im zweiten Band „The Song of the Quarkbeast“ weitergeht, wenn es in Bälde auf Deutsch erscheint. Spätestens an dieser Stelle muss der Übersetzerin, Isabel Bogdan, ein großes Kompliment ausgesprochen werden. Ffordes komplexes sprachbastelndes Universum so punktgenau zu übertragen, dass der Witz überzeugend erhalten bleibt, ist eine Leistung. Da sind Perlen dabei wie ein Segensspruch, der so noch nicht zu hören war: „Mögen Sie allezeit im Schatten des Hummers wandeln.“

Karin Haller