
Beate Dölling: Alles bestens
Odyssee eines 16-Jährigen durch Berlin
„Alles bestens“. So antwortet man gerne auf die Frage, wie es einem denn so geht, wenn man eigentlich keine Antwort geben möchte. Und so hat Beate Dölling ihren neuen Jugendroman genannt.
Der Jugendliche, dem es hier bestens geht, oder eben auch nicht, heißt Johannes Springborn, hat sich in Unterhosen aus der Wohnung ausgesperrt und niemanden, zu dem er gehen kann, bis seine Eltern in drei Tagen wiederkommen.
Und so beginnt eine Odyssee durch Berlin, die den 16jährigen über verschiedene Stationen schließlich in die Ausnüchterungszelle führt; dazwischen liegen der Schlachtensee und der Alexanderplatz, das Badeschiff, eine Baustelle, Clubs. Er entdeckt, dass sein Vater fremdgeht, begegnet drei Mädchen, die alle Sandra heißen, raucht, trinkt und unterhält sich auf einer Party bekifft mit einem Goldfisch, der das Fest leider nicht überleben wird.
Mit diesem Buch hat Beate Dölling eine subtil-ironische Version jugendlicher Selbstfindungsromane geschaffen: Ihr Held ist zwar der klassische Anti-Held, wie wir ihn auch aus anderen Texten kennen: Unerfahren, sensibel, intellektuell versponnen, sehr belesen, ein Einzelgänger. Doch seine Identitätssuche, die er immer wieder in inneren Monologen reflektiert, demaskiert sich als dreitägiger Wandertag eines behüteten Jungen aus anti-autoritärem Akademikerelternhaus, der staunend entdeckt, dass es außerhalb seiner vertrauten Glasglocke auch noch Paralleluniversen gibt. Die nicht die seinen sind, und es auch nicht werden.
„In einer Minute denkt man, man kommt irgendwie durch, in der anderen Minute ist schon wieder alles Neese, wie der Berliner sagt. Ich bin Berliner, aber ich darf so was nicht sagen, ich gehöre zur gebildeten Schicht.“
Wie Johannes barfuss und im selbst kreierten T-Shirt mit der Aufschrift „Che Guevara“ durch Berlin stolpert und sich seinen Lebensweisheiten und Erleuchtungen hingibt, während er Pizza aus dem Mistkübel fischt, bietet amüsantes Lesevergnügen vom Feinsten.
Ohne Hemmungen konstruiert Dölling die verwegensten Zufälle und schicksalhafte Fügungen, zerlegt diese Konstruktionen in ihrem eigenen Text und gibt ihren Ich-Erzähler liebevoll der Lächerlichkeit preis.

Berlin ist nicht New York und Johannes Springborn nicht Holden Caulfield. Häufige literarische Querverweise – nicht nur auf Salinger - sind nur eine der Herausforderungen, die dieser Roman an sein jugendliches Leserpubikum stellt. Um das Buch so richtig genießen zu können, bedarf es vor allem auch einer Neigung zu bisweilen pubertärem Humor.
Leicht und voller Sprachwitz konterkariert die Autorin die selbstverliebte Großmäuligkeit des Ich-Erzählers mit äußeren Ereignissen, bei denen er so richtig auf die Schnauze fällt, kombiniert seine Gefühlswirrungen und Tagträume mit persiflierenden Szenen und Figuren. Seine „Erleuchtung“, dass nun eine Lebensphase zu Ende geht, spielt sich auf dem Dach einer Waldorfschule ab, und das Mädchen – Sandra III – dem er seine langersehnte Entjungferung zu verdanken hat – kommt hoch zu Ross daher.
Am Ende wird Johannes in seiner eigenen Wohnung sitzen, glücklich die drei Tage revue passieren lassen, von denen er rückblickend erzählt, in dem Gefühl, ein neuer Mensch und über Nacht zum Mann geworden zu sein. Die Wohnung zahlt zwar der Vater und die Wäsche macht immer noch die Mama, aber bitte. Und natürlich findet er die verlorengegangene Sandra III wieder. Alles bestens eben.