Von Schildflöten, Herdmännchen und Großmaulnashörnern
Dass man mit Tieren und Worten besten Unfug treiben kann, wurde schon oft bewiesen – ich sage nur Morgenstern, Ringelnatz, Krüss, Jandl oder Gernhardt samt ihrer Rehe, Hochseekühe, Möpse oder Schnabeltiere. In diese Tradition reiht sich nun Juri Johansson ein. Der Autor, über den wenig in Erfahrung zu bringen ist, stellt Tiere vor, von denen man auch noch nichts gehört hat. Oder ist schon jemand mal einer Schlammasselassel auf ihrem Weg von einem Fettnäpfchen ins nächste Unglück begegnet? Hat schon wer bei einem Herdmännchen gut gegessen? Eben! Warum diese komischen Viecher so selten sind? Diese Frage kann nur von Wiesel, Wiesosel und Warumsel kommen, dem seltsamen Trio aus der Familie der Fragetiere. Die wollen alles immer ganz genau wissen, sind also das Gegenteil von relativ anspruchslosen Pyjamalamas, die auf »gemütlichen Sesseln und Sofalandschaften siedeln« und nicht nur Gehirn-, sondern alle körperlichen Aktivitäten zu vermeiden suchen. Sehr entspannt verdreht Juri Johansson einem die Wörter in den Mund, bedient sich bei der Enzyklopädenprosa ebenso wie bei der klassischen Lügengeschichte, würzt da und dort mit einer Prise absurdem Humor und verschmäht auch den gemeinen Blödsinn nicht. Dabei gelingen ihm immer wieder auch schöne Formulierungen – etwa: »Die Schmolle ist die beleidigte Leberwurst der Meere.«
Auf jeweils einer Doppelseite werden dieserart in kurzen Texten zwanzig so seltene wie seltsame Tiere vorgestellt. Und von Stefanie Jeschke ganzseitig porträtiert. Dick konturiert und in kräftigen Farben bringt sie die eigenartigen Tiere zur Geltung: Das Säbelzahnhörnchen lässt mit seiner Pose keinen Zweifel daran, dass es eines der gefürchtetsten Nagetiere Europas ist; dem Trödel-Truthahn steckt sie eine volle To-Do-Liste unter den Flügel, drei wunderbare Exemplare des Ichwardasnicht-Kranichs lässt sie sehr unschuldig auf einer grünen Wiese herumstehen. Mit Tieren – und zwar nicht nur mit Erdmännchen – hat die vielbeschäftigte Illustratorin Erfahrung, das ist auf jeder Seite zu sehen. Zum Vorlesen, Selberlesen und immer-wieder-Lesen kann dieser unterhaltsame Unfug ehrlich empfohlen werden. Da wird vermutlich nicht einmal der Magichnicht-Habicht was dagegen haben.
Franz Lettner
Juri Johansson & Stefanie Jeschke (Ill.): Von Schildflöten, Herdmännchen und Großmaulnashörnern
Kraus Verlag 2022, 44 Seiten, € 15,40, ab 5 Jahren
Dieser Buchtipp erschien zuerst in "1001 Buch"