
Keine Party ist auch keine Lösung
Noch vier Tage bis zum zehnten Geburtstag – das kann sich ziehen wie ein Kaugummi oder rasen wie ein Schnellzug. Letzteres vor allem dann, wenn die neue Mitschülerin und Wunschfreundin Mia bereits zur »besten Party ever« eingeladen wurde, obwohl es für die Feierlichkeit weder einen möglichen Ort noch ausreichend Geld gibt. Vor dieser Herausforderung steht die noch neunjährige Jagoda, die mit ihrer Mutter zum wiederholten Male in einem Frauenhaus lebt. Als »alte Häsin« weiß Jagoda, dass eine Party im Frauenhaus mit Freundinnen unmöglich ist: »Wir dürfen unsere Adresse nicht verraten, logisch.«, sagt sie mit der lakonischen Klarheit eines Kindes, das schon viel erlebt hat. Im rasant erzählten Geburtstagscountdown begleiten die Leser:innen Jagoda bei ihrem Versuch, dennoch eine Party auf die Beine zu stellen. Schnell wächst sie in die Rolle der gewieften Eventmanagerin, die es zuerst ganz allein schaffen will und schließlich doch an die hilfsbereiten Mitbewohner:innen im Frauenhaus Buffet- und Dekorationsaufträge verteilt (»Wenn man einmal angefangen hat, um Hilfe zu bitten, ist es gar nicht mehr SOOO schlimm.«). Die geeignete Location findet Top-Netzwerkerin Jagoda bei der Schwiegermutter ihrer Sozialarbeiterin, der »Ausnahme-Erwachsenen« Frau Yıldırım. Und die passende Musik? Kommt von der deutschen Musikerin Nina Chuba. Mit der Referenz auf deren Pop-Hit »Wildberry Lillet« bekommt Jagodas Wunsch nach Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Teilhabe einen aktuellen Soundtrack. Die Textzeile »Ich hab Hunger, also nehm ich mir alles vom Buffet« wird zum Leitmotiv einer Heldin, die sich auch von Rückschlägen nicht entmutigen lässt.
Die in Berlin lebende Kinderbuch- und Drehbuchautorin Anna Maria Praßler verarbeitet in »Keine Party ist auch keine Lösung« Themen wie häusliche Gewalt und Kinderarmut in den klassischen Motiven eines Kinderromans: Freundschaft, Familie, Heldinnentum und Selbstermächtigung. Dass viele Frauen in missbräuchliche Beziehungen zurückkehren (müssen) und Kinder in diesen Kontexten oft sehr früh Selbstverantwortung übernehmen – all das findet seinen Platz in dem aus der Perspektive der Hauptfigur authentisch erzählten Kinderroman. Jagodas Stimme ist klarsichtig und frech, ihr Blick auf die Erwachsenenwelt kritisch, aber auch empathisch. So wird Jagoda schnell zur Identifikationsfigur – nicht nur für junge Leserinnen und Leser, sondern auch für Erwachsene, die bereit sind, sich von einem Kinderroman berühren und mitreißen zu lassen.
Wer sich die Geschichte lieber vorlesen lassen möchte, dem sei das Hörbuch zu »Keine Party ist auch keine Lösung« empfohlen – temporeich gelesen von Uta Dänekamp.
Stefanie Schlögl

Anna Maria Praßler: Keine Party ist auch keine Lösung
Hörbuch gelesen von Uta Dänekamp. Rubiton Audioverlag, Audio-CD, 158 Min., € 16,50
Dieser Buchtipp erschien zuerst in "1001 Buch"