Fing
Manchmal haben die sanftmütigsten Eltern die wildesten Kinder. So wie die Mildes. Papa Maurice ist Bibliothekar und Mama Meredith Bibliothekarin. Stille, friedliche Leute, die gern Gedichte lesen und sich nicht getrauen, in der Öffentlichkeit einen Pfirsich zu essen. Deren zehnjährige Myrtle aber ist ein wahres Monster von einem Kind. Sie lässt sich von den Eltern zur Schule tragen, brüllt den ganzen Tag herum und verabscheut Bücher. Ein Kind, dessen erstes Wort als Baby „Mehr“ war, das alles hat, sich aber stets Neues wünscht. Noch ein „Fing“. Ein Fing? Aber was bitte ist das und woher kriegt man es? Auf ihrer verzweifelten Suche nach dem Fing verschlägt es beide Eltern zunächst ins tiefste Kellergewölbe ihrer Bibliothek und den Vater alsdann – nach erfolgreicher Recherche in der „Monsterklopädie“ – in den „tiefsten, dunkelsten, dschungeligsten Dschungel. Die Heimat des Fings!“
Auch der neueste Kinderroman von David Walliams bietet einen abenteuerlichen Plot voller Übertreibungen, Absurditäten, allerhand Nonsense und der generellen erzählerischen Absicht, alles der Lächerlichkeit preiszugeben. Man weiß bei der Lektüre nie so recht, über wen man mehr den Kopf schütteln soll, über das in seinen Wünschen maßlose Kind oder über die Ja-mein-Engelchen-Helikopterhaftigkeit der Eltern. Egal, man hält sich eh mehr den Bauch vor Lachen, weil Walliams neben obligater physical comedy, ausreichend Fäkalhumor und ein paar lässig eingestreuten ironischen Fußnoten auch wieder mit ein paar wunderschönen Listen aufwartet. Diesmal etwa ein ABC all der Dinge, die Myrtle bereits hat (von der Ameisenfarm über Grob-Kies-Sammlung und Hinterschinkenschneider zum Wombatentsafter und Zebradung) und eine Bibliothekssammlung vergriffener Bücher („Porträts von Pfützen“, „Schleim: Bebildertes Handbuch“ oder „Oden an Brennnesseln“ und „Bärte der Bibel: Handbuch für Spürnasen“). Weil Tony Ross das wieder reichlich und verlässlich witzig illustriert hat, die Schriftgröße eine große ist und der Schriftsatz einzelne (vor allem lautmalerische) Wörter noch hervorhebt, ist dieser Walliams sicher auch schon für Grundschulkinder eine vergnügliche Lektüre.
Klaus Nowak
David Walliams: Fing
Hamburg: Rowohlt Rotfuchs 2023, 272 S., € 16,50 (A), ab 9 Jahren