Die schönste Wunde
Mit Emma AdBåge und ihren Kinderbüchern assoziiert man immer dem Kinderalltag sehr nahe Geschichten, in denen authentisch und respektvoll kindliche Gefühle wie Neid, Wut oder Eifersucht thematisiert werden. Die Geschichten spielen im Familienkreis, im Kindergarten oder wie in ihrem neusten Bilderbuch in der Schule. Der Schauplatz des Geschehens in „Die schönste Wunde der Welt" ist der Schulhof. Beim Spielen fällt der Held der Geschichte plötzlich von der Tischtennisplatte und verletzt sich dabei das Knie. Dieses Ereignis lässt den ganzen Schulhof – Kinder aller Schulstufen, die Putzfrau sogar eine Taube – herbeieilen und ist nicht nur an diesem Tag sondern auch noch Tage danach Thema Nummer eins. Und das nicht nur in den Pausen auch im Unterricht, wo in Mathe ausgerechnet wird, wieviele Wunden jeder schon hatte und im Kunstunterricht die rote Farbe ausgeht. Mitleid und Fürsorglichkeit erfährt der tapfere Held von allen Seiten. Und neugierig wird beobachtet, wie aus der blutenden Wunde eine Kruste wird. Die Geschichte endet im Schwimmbad: „Im Wasser, genau da, wo ich reingesprungen war, sank gerade etwas Kleines, Braunes ganz langsam auf den Boden." Die Trauer über den Verlust der Kruste, spiegelt die Trauer über das Ende der Aufmerksamkeit und Zuwendung wider. Aber zum Trost bleibt ihm noch die Narbe, die ihn für immer an diese Zeit erinnern wird. Emma Adbåges Figuren zeichnen sich durch ihre unverhältnismäßigen Proportionen und durch ihre aussagekräftige Mimik und Gestik aus, die die tiefen und vielschichtigen Gefühle auch im Bild spürbar machen. Die erdigen und gedeckten Farben sorgen für eine unaufgeregte und warme Atmosphäre und veranlassen zum genauen Hinschauen, um alle Bilddetails zu entdecken.
Juliane Zach
Emma AdBåge: Die schönste Wunde
Weinheim/Basel: Beltz & Gelberg 2024, 28 S., € 14,40, ab 4 Jahren
Dieser Buchtipp erschien zuerst in "1001 Buch"