Das Nori sagt Nein!

Obwohl Kinder oft genau wissen, was sie wollen und brauchen, besteht ihr Leben aus vielen fremdbestimmten Momenten. Darüber, wie wichtig es ist, die eigenen Grenzen kennenzulernen, sich selbst zu behaupten, aber auch den Blick dafür zu schärfen, die Grenzen anderer zu akzeptieren, erzählt Antje Damm in ihrem neuesten Bilderbuch „Das Nori sagt Nein!“, das trotz des kleinen Formats durch starke schwarz-weiß Kontraste sofort ins Auge sticht. Sowohl den äußerst reduzierten Einsatz von Farben wie auch die besondere Technik des Scherenschnittes, den die Kinderbuchkünstlerin für ihre Emanzipationsgeschichte gewählt hat, findet man auf dem Kinderbuchmarkt selten. Antje Damm schafft damit eine Fokussierung auf die Gefühle der Figuren und arbeitet nuanciert die Beziehung der beiden Figuren heraus.

Das Nori, ein kleines Felltier mit spitzem Schnabel, langen abstehenden Ohren und großen gelb leuchtenden Augen, lebt ein beschauliches und ruhiges Leben. Am liebsten pflückt es reife Beeren, die es in seiner kleinen Höhle unter der Erde verspeist. Diese Idylle wird eines Tages von einem unbekannten und beängstigenden Geräusch gestört: Zuerst nähern sich schwere Schritte, dann fällt eine Murmel in die Höhle des Nori und zerschlägt sein Inventar. Trotz seiner Angst wagt das Nori einen Blick nach draußen, wird von einem Kind entdeckt und mit zwei Fingern an der Hand hochgehoben. Was für ein eindrückliches Bild, als sich das Kind und das Nori in Großaufnahme tief in die Augen blicken. Die häufigen Perspektivenwechsel schaffen nicht nur ein Gefühl für die Größenverhältnisse, sondern dienen auch dazu, Gefühle zu transportieren.

Die nächste Doppelseite: Aus einer tiefschwarzen Fläche blicken den Lesenden nur zwei gelb leuchtende Augen entgegen. Das Nori befindet sich in der Tasche des Kindes und wird kurz darauf von der Riesin an einem eigenartigen Ort abgesetzt. Umgeben von Figuren, die seiner Größe entsprechen, aber leblos sind, wird das Nori von dem Kind von einer Spielsituation in die nächste befördert. Der Versuch sich zu verstecken, schlägt fehl. Als das Kind es dann auch noch mit den gehassten grünen Beeren – Erbsen sind das wohl – füttern will, reicht es dem Nori. NEIN! schreit es so laut es kann. Das Wort erscheint fett gedruckt in einer seitenfüllenden gezackten roten Sprechblase. Nur einen Moment lang ist es still, dann wird klar: Das Kind hat verstanden und bringt das Nori zurück in dessen Welt – in der alles, fast alles so ist, wie vorher. Denn ganz sicher kommt das Nori gestärkt aus dieser Geschichte heraus!

Juliane Zach

Antje Damm: Das Nori sagt Nein!

Antje Damm: Das Nori sagt Nein!

Frankfurt am Main: Moritz 2024, 48 S., € 16,50, ab 4 Jahren

Dieser Buchtipp erschien zuerst in "Die Furche"